FREIHAFENtagebuch vom 15. Mai 2006



Es wurde ein kurzes Treffen im Bühnenraum des M31. Ralf moderierte allein, kündigte als erstes Regina mit ihrem Text "Wir schaffen alle Autos ab" an. Der Titel war Programm, aber die Details konnten dennoch für Faszination und Überraschungen sorgen.


Anschließend erfreute uns erstmal Genia mit drei Gedichten, mit schönen Worten, Gefühlen und Bildern.



Meine Jugend


Wovon hab ich geträumt, und was hab ich erwartet,

Nun scheint vieles zerschlage, was früher noch heil,

Und die ganze Wahrheit kommt mir vor wie entartet-

Meine Jugend als Fluch? Wie wirds hinterher sein?


Was hab' ich bloß gemacht aus meinen Ideen

Und Wünschen, über Träume geschwiegen schon längst,

Warum kann ich nicht einfach mir Sterne ansehen,

Statt nach Ihnen zu greifen, damit man mich erwähnt?


Wen hab ich geliebt, und wer liebte mich trotzdem,

War ich zu lange einsam und zu kurz allein?

Wovon hab' ich geträumt und wem wollte ich trotzen,

Meine Jugend als Segen? Wie wirds hinterher sein?


Wie oft hab' ich geküsst und wie selten wars ehrlich,

Nun scheint vieles ernüchternd, was früher gewollt,

Eins ist wohl geblieben- der Himmel ist herrlich,

Wenn die Sonne langsam hinters Horizont rollt.




Nun folgte eine Geschichte von Ralf. "Fremd" war sein Protagonist in Paris, bei einigen Glas Wein traf er auf einen Franzosen, sprach mit ihm über Spiegeleier, Kamele und den Märkischen Sandboden.


„Ich züchte Rennkamele.“

„Wie?“

„Kamelrennen sind in Arabien sehr beliebt. Und die Scheichs zahlen gut.“

Er glotzte mich mit trüben Augen an. „Leben Kamele nicht in der Wüste?“

„Noch nie was von den märkischen Sandböden gehört?“

Auch er hatte schon mehr als ein Glas Wein konsumiert. Ihm fiel es daher nicht leicht in den Windungen seines Gedächtnis nachzuschauen, ob er schon einmal von den sandigen Böden rund um Berlin gehört hatte.

„Keine richtige Erde, nur trockener Sand. Ideal für Kamele.“

„Vermissen sie die Sonne nicht, die Hitze?“

„Sie rennen ja den ganzen Tag. Da ist es sogar gut, wenn es nicht zu warm ist. So sind sie schneller und ausdauernder.“

„Dann könnte man auch hier in Paris Kamele züchten?“

„Wenn die Böden gut sind. Kamelfüße sind sehr empfindlich.“

Wir teilten uns noch eine Karaffe Wein, traten dann in die Nacht hinaus. Es schien wärmer geworden zu sein.

„Das sind die Wüstenwinde“, erklärte er mir. „Manchmal weht sogar Sand übers Meer bis nach Paris.“

„Aber wie sind die Böden? Auf die Böden kommt es an.“

Er zwinkerte mir zu. „Rennkamele“, lachte er kopfschüttelnd. „Fast hätte ich dir geglaubt!“




Lysette servierte Lyrik: "Seit du fort bist" und "Nachts", Texte die ans Herz gingen, ohne das Hirn zu vernachlässigen.

Nachts

Hinterm Horizont, in der Dunkelheit,

wo die Teufel schlafen gehn,

kann man deren Gedanken tanzen sehn.

Sie, sie legen sich nicht hin

Aufruhr ist ihnen im Sinn.

Sie tanzen Salsa, Tango, Rock `n`Roll,

wirbeln durcheinander, fügen sich nicht.

Kopulieren im Dunkeln, meiden das Licht.

Im Morgengrauen werden es Tausende sein,

und steigen in der Menschen Träume hinein.

Chaos! Nichts passt zusammen.

Die Gedanken nehmen Gestalt an,

sind Fee, Hexe oder Klabautermann.

Die Schlafenden wälzen sich hin und her,

irren in ihren Träumen umher.

Schließlich ist es Zeit aufzustehen!

Gnade zeigt das erste Sonnenlicht,

die Menschen, sie erinnern sich nicht!

Die wilden Gedanken sind müd und still,

weil der wache Mensch Teufelsträume nicht will.



Regina las zum Abschluss des Abends "Hinter dem Horizont", die Geschichte einer Frau, eines Ausflugs, einer Erinnerung, vielschichtig und mehrfarbig.


Der Abend klang aus mit Live Musik der Kreuzberg Stompers, was einige Gäste veranlasste sich auf die Terrasse zu setzen, die nicht ganz so milde Nacht beginnen, die Texte noch einmal nachklingen zu lassen und in die Wörter zu kommen.