18.04.2005
Das Tintenschiff hatte eingeladen “Was Lyrisches” vorzutragen. Fünf Autorinnen und Autoren nahmen die Herausforderung an, dem geneigten Publikum, das zahlreich erschienen war, ihre Lyrik zu präsentieren.
Der Abend begann mit einer Premiere für Christina Didszun, die zum ersten Mal die Freihafen-Bühne betrat. Sie las Gedichte zur Liebe. Es ging um viel Haut und Herz, plötzliches Begehren, Nähe im Fremden. Hier einige Zeilen aus “Verliebtes altes Mädchen”:
Noch einmal habe ich den Irrsinn gewagt,
und die Schmetterlinge in meinem Bauch zugelassen,
Nachdem ich in den Spiegel geschaut
Und die Falten gezählt,
sah ich in meine Augen und
sie haben geglänzt und gestrahlt
wie vor mehr als zwanzig Jahren.
Das gleiche Feuer, die gleiche Lust,
das gleiche Verlangen, sah aus längst
vergangenen Tagen mich an.
Ich berührte sanft meine Brust,
die längst nicht mehr so straff,
aber dennoch voller Lust war.
...
Ralf Pfennig setzte fort mit einem Querschnitt durch seine Gedichte aus den letzten Jahren. Sonst eher als Prosa-Autor bekannt, beeindruckte er mit gereimt Hintergründigem. “Gefühl” heißt einer seiner Fünfzeiler:
Wenn ich nicht hätt, soviel Gefühl,
Was mich irr macht, blieb einfach kühl,
Tja freilich dann, dann könntest Du denken,
Meinen Worten keinen Glauben schenken,
Was will er nur, alles Kalkül.
Stefan Welke, dem Publikum bereits als Lyriker vertraut, widmete sich den Themen Nachbarschaft, Frühjahrsputz und Vertrautheit im Zusammenleben. “Alltagsputz” heißt eines der Gedichte:
Beim Geschirr spülen
verkrustete Erinnerungen wegwischen,
ablaufen lassen ins Nichts,
Gefühle abtrocknen,
den Glanz wiederherstellen.
So einfach
wenn nur genug Spülmittel vorrätig ist?!
Maike Stein steuerte den Prosa-Text “Wort sucht Anschluss” mit Gedichteinlagen bei. Ein Text über den Versuch, ein Gedicht zu verfassen, ein Auszug:
... Wer sucht die Wörter aus? Wer schließt sie an? Wer macht Schluss?
Mein Satz hat sich mitten im Wort erhängt.
Und ich bin jetzt gekränkt.
Sollen andere dichten, ich schreib' lieber Geschichten.
Zum Schluss lieferte Martin Doll, bekannt auf der Freihafen-Bühne durch seine Taxi-Geschichten, “Taxilyrik”, in der er uns vor Ohren führte, was ein Taxifahrer zu hören bekommt, während einer Schicht, zwischen Abend und Morgengrauen.
Bitte
Hier is jut
Gib mir nen Kuss
Berlin ist mir zu groß
Haste keene andere Mucke?
Kannst du einen Huni wechseln?
Kennen Sie sich hier ein bisschen aus?
Machste noch was anderes oder fährste nur Taxe?
Wat hamse denn mit dir jemacht? Anjestrichen oder wat?
Fährst du mich für einmal Blasen in den Wedding?
Keine Ahnung, bist du der Taxifahrer oder ich ?
Am Halteverbotsschild können Sie stoppen
Fährste für´n Pfund nach Tuttlingen?
Sie sind aber auch kein Berliner
Wie hat denn Hertha jespielt?
Türkçe konu?u yormusun?
Mach mal hinne Alter
Ist das ihre Taxe?
Stimmt so!
Danke
Sie könnten auch ein Buch schreiben
Ein kurzer und ein kurzweiliger Abend war es dieses Mal, viele verweilten anschließend noch lange in Gesprächen. Wir sind gespannt auf das nächste Mal, auf den 23. Mai 2005, an dem unser Thema heißt: “Berliner Geschichten”.