Martina Karraß
DEUTSCHE SEELE
Wir laufen über das Schlachtfeld
unserer Großväter:
Keiner kam zurück.
Wir suchen in den Trümmern
unserer Großmütter:
Keiner hat überlebt.
Wir stecken in den KZ’s
ihrer Herzen:
Keiner hat es gewollt.
Als wäre nichts gewesen
sammeln wir sie auf, die Leichen
Auf dem Schlachtfeld blühen
Grauen Rosen.
Wir schauen aus den Bunkern
unserer Ohnmacht:
Keiner hat uns befreit.
Frieder Weber
MINERALWASSER
- clausewitz -
Auf dem Tisch in der Küche liegt plötzlich
Das Buch Stahlgewitter von Ernst Jünger.
Im Zimmer nebenan lässt du dich
Ins breite Brokatsofa plumpsen.
Matsch, abgerissene Körperteile, Kadaver
Rebhühner und vollgefressene Ratten
Tauchen aus den Gräben des Stellungskrieges,
Während in der Küche die Uhr tickt
Und draussen die Wagen rollen.
Auf dem Gang von Getränke-Hoffmann,
Wiegt der Kasten schwer auf deiner Schulter,
Aber die goldene Abendsonne,
Bald hinter Häusern verschwunden,
Flutet dir angenehm entgegen.
Stefan Welke
DEUTSCHLAND, 3. JAHRTAUSEND
Sonnenschein
am Rhein,
Regen
an der Elbe,
niemals dasselbe.
Dennoch
stapfen durch Pfützen
wärmen sich an Strahlen
Menschen
mit gleicher Zunge.
Nur das Klima trennt
oder ein Vorbehalt,
der schon alt?
Früher drohte er mit Gewalt
aus dem Farbtopf
deutscher Geschichte.
Überrannt,
übermannt,
das grau gewordene Rot
verließ das Land,
wurde umbenannt,
existiert in größerem Verband.
Vorurteile wuchsen
stießen Keile
nach Ost
nach West.
Nostalgie im Gepäck,
betonen Unterschiede keck,
trieb das Wir in die Flucht.
Das Ich hat uns heimgesucht,
Erfolge verbucht,
sich eingegraben
an der Trennungslinie
frischer Narben.
Späteres Generationen Geschick
bringt das Wir zurück.